Das Hildebrandslied als Mahnung zum Weltfrieden

"Niemals Gewalt"
"Die Waffen nieder"

Wenn man Friedensforschung betreibt, um auf „Niemals Gewalt“ hinzuarbeiten, empfiehlt es sich, auch alte Texte nach Warnung vor dem Krieg durchzusehen.

 

 

 

 

In alter Zeit muss etwas geschehen sein, das ganz Europa fast 2000  Jahre  erschütterte; denn noch der türkische Nobel-Preisträger Orhan Pamuk schrieb in seinem Buch  „Rot ist mein Name“ über den Vorfall, dass der Vater den Sohn in einer kriegerischen Kampf-Handlung tötete. Das Motiv wurde in verschiedenen europäischen Sprachen mit vielfältigen Helden ausformuliert. Der Vater musste also den Sohn getötet haben, bevor die indogermanischen Sprachen sich aufteilten.

 

a) Pamuk Orhan zitiert das persische Epos Rostam und Sohrab

 

Aus Pamuk, Orhan: „Rot ist mein Name“  (Nobel-Preisträger 2006)

Wir erinnern uns des legendären Rüstems, der nach dreitägigem Ringen mit dem feindlichen Heer dessen Anführer Suhrab tötete, ohne zu wissen, dass jener sein eigener Sohn war. Als Rüstem an dem Armreif, den er vor Jahren Suhrabs Mutter schenkte, seinen eigenen Sohn erkennt, dem er mit dem Schwert die Brust zertrümmert hat, schlägt er sich bitter weinend vor dem Kopf, und darin lag für uns alle etwas tief Bewegendes.

( Orhan Pamuk zitiert ein persisches Epos)

 


b) Die Geschichte von Cuchulinn, der seinen Sohn Conlai erschlägt, stammt aus dem keltischen (irischen) Sagenbereich.

 

Aus Köppelmann, Martin: Erinn.

Als Cuchulinn von der Kriegerin Aife , die, nachdem er sie besiegt hatte, von ihm schwanger war, Abschied nahm, grüßte er sie noch einmal und sprach zu ihr: “Das Kind, das du gebären wirst, wird ein Sohn sein. Nimm hier diesen goldenen Ring und bewahre ihn wohl. Wenn dieser Ring einst meinem Sohn an den Finger passt, so schmücke ihn damit in Gedenken an seinem Vater,  und ist es ihm dann recht, so mag er mich aufsuchen.“ ....Damit gab er Aife den Ring und schied von ihr, deren Leib er genossen hatte.

Seitdem waren viele Jahre vergangen. Da bat Conlai, Cuchulinns Sohn, seine Mutter Aife, ihn ziehen zu lassen, um seinen Vater zu suchen.

Zu der Zeit hatten sich gerade die Krieger von Ulster um Cuchulinn versammelt.... Als Conlai in seinem Schiff ankam, staunten sie über seine Kraft und Geschicklichkeit. ....Der Jüngling weigerte sich hartnäckig, seinen  Namen zu nennen. ....

Dann steckte der Jüngling seine Hand in den Riemen seines Schildes und bereitete sich zum Kampf. Als die Ulster-Krieger seiner spotteten, machte sich Cuchullinn fertig zu dem Jüngling hinüberzugehen. Emer, seine Frau, suchte ihn zurückzuhalten und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Geh nicht, Cuchulinn!“ sagte sie zu ihm, „Mir sagt eine innere Stimme, dass es eine besondere Bewandtnis mit dem Jüngling dort hat“. ...

Der junge Mann schwang sein Schwert und schor kunstvoll mit einem Hiebe den Schädel des Cuchulinn kahl. Da ergriff Cuchulinn wuterfüllt sein Schwert und stieß es dem anderen in den Leib....

Da erblickte Cuchulinn den Ring am Finger des Jünglings, den er einst Aife geschenkt hatte, und daran erkannte er, dass er seinen eigenen Sohn Conlai, das Kind der kampffrohen Aife, getötet hatte. Das schmerzte ihn sehr. ... Da öffnete Conlai noch einmal die Augen und sprach: „... Ich hielt der Mutter Gebot und nannte meinen Namen nicht, bis ich erkannt war!“

( Köppelmann zitiert ein irisch-keltisches Epos)

 

c) Das Hildebrandslied aus der althochdeutschen Literatur

  Ik gihorta ðat seggen,

Ich hörte (glaubwürdig) berichten,

 

 

ðat sih urhettun   ænon muotin,

dass zwei Krieger, Hildebrand und Hadubrand, (allein)

 

Hiltibrant enti Haðubrant   untar heriun tuem.

zwischen ihren beiden Heeren, aufeinanderstießen.

 

sunufatarungo:    iro saro rihtun,

Zwei Leute von gleichem Blut, Vater und Sohn, rückten da ihre Rüstung zurecht,

5

garutun sê iro guðhamun,    gurtun sih iro suert ana,

sie strafften ihre Panzerhemden und gürteten ihre

 

helidos, ubar hringa   do sie to dero hiltiu ritun.

Schwerter über die Eisenringe, die Männer,
als sie zu diesem Kampf ritten.

 

Hiltibrant gimahalta, [Heribrantes sunu,]   her uuas heroro man,

Hildebrand, Heribrands Sohn, begann die Rede – er war der Ältere,

 

ferahes frotoro;    her fragen gistuont

auch der Erfahrenere –, mit wenigen Worten

 

fohem uuortum,   hwer sin fater wari

fragte er, von welchen Leuten im Volk

10

fireo in folche,   . . . . . . . . . . . .

der Vater des anderen sei,

 

. . . . . . . . . . . .   «eddo hwelihhes cnuosles du sis.

„oder (sag mir,) zu welchem Geschlecht du zählst.

 

ibu du mi enan sages,   ik mi de odre uuet,

Wenn du mir nur einen nennst, weiß ich schon, wer die

 

chind, in chunincriche:   chud ist mir al irmindeot.»

andern sind, die Angehörigen im Stammesverband. Ich kenne das ganze Volk.“ –

 

Hadubrant gimahalta,    Hiltibrantes sunu:

Hadubrand, Hildebrands Sohn, antwortete:

15

«dat sagetun mi   usere liuti,

„Es haben mir unsere Leute gesagt,

 

alte anti frote,    dea erhina warun,

alte und erfahrene, die schon früher lebten,

 

dat Hiltibrant hætti min fater:    ih heittu Hadubrant.

dass mein Vater Hildebrand heiße. Mein Name ist Hadubrand.

 

forn her ostar giweit,   floh her Otachres nid,

Einst ist mein Vater nach Osten gezogen, auf der Flucht vor Odoakars Hass,[1][1]

 

hina miti Theotrihhe    enti sinero degano filu.

zusammen mit Theoderich und vielen seiner Krieger.

20

her furlaet in lante    luttila sitten

Er hat in der Heimat, in seinem Haus

 

prut in bure,   barn unwahsan,

hilflos und ohne Erbe seine junge Frau (und) ein kleines Kind

 

arbeo laosa:   her raet ostar hina.

zurückgelassen. Er ist nach Osten fortgeritten.

 

des sid Detrihhe   darba gistuontun

Danach sollte Dietrich den Verlust meines Vaters

 

fateres mines.   dat uuas so friuntlaos man:

noch sehr spüren: er war so ohne jeden Freund.

25

her was Otachre   ummet tirri,

(Mein Vater aber,) Dietrichs treuester Gefolgsmann,

 

degano dechisto   miti Deotrichhe.

hatte seinen maßlosen Zorn auf Odoakar geteilt.

 

her was eo folches at ente,   imo was eo fehta ti leop:

Immer ritt er dem Heer voran. Jeder Kampf war ihm so sehr willkommen.

 

chud was her. . . chonnem mannum.

Die Tapfersten kannten ihn.

 

ni waniu ih iu lib habbe» . . .

Ich glaube nicht, dass er noch am Leben ist.“ –

30

«wettu irmingot, [quad Hiltibrant]   obana ab hevane,

„Ich rufe Gott vom Himmel“, sprach Hildebrand da, „zum Zeugen an,

 

dat du neo dana halt    mit sus sippan man

dass du bisher noch nicht einen so nah Verwandten

 

dinc ni gileitos» . . .

zum Gegener gewählt hast.“

 

want her do ar arme   wuntane bauga,

Darauf löste er Ringe vom Arm,

 

cheisuringu gitan,   so imo se der chuning gap,

aus Kaisergold geschmiedet, wie sie ihm der König,

35

Huneo truhtin:   «dat ih dir it nu bi huldi gibu.»

der Herrscher der Hunnen,[2][2] geschenkt hatte: „Das schenke ich dir aus Freundschaft.“

 

Hadubrant gimahalta,    Hiltibrantes sunu:

– Hadubrand, Hildebrands Sohn, entgegnete aber:

 

«mit geru scal man   geba infahan

„Ein Mann soll (solche) Gaben mit dem Speer aufnehmen:

 

ort widar orte.    . . . . . . . . . . .

Spitze gegen Spitze!

 

du bist dir, alter Hun,    ummet spaher,

Alter Hunne, du bist überaus listig;

40

spenis mih mit dinem wortun,   wili mih dinu speru werpan.

wiegst mich mit deinen Worten in Sicherheit, um mich dann (um so besser) mit deinem Speer zu treffen.

 

pist also gialtet man,   so du ewin inwit fortos.

Du bist schon so alt, und doch bist du immer (noch) voll Hinterlist. –

 

dat sagetun mi    seolidante

Ich weiß es von Seefahrern, die westwärts über Meer

 

westar ubar wentilseo,   dat inan wic furnam:

(gekommen sind), dass ein Kampf mir meinen Vater genommen hat:

 

tot ist Hiltibrant,    Heribrantes suno.»

tot ist Hildebrand, der Sohn Heribrands!“ –

45

Hiltibrant gimahalta,    Heribrantes suno:

Hildebrand, Heribrands Sohn, sagte da:

 

«wela gisihu ih   in dinem hrustim,

„An deiner Rüstung sehe ich deutlich,

 

dat du habes heme    herron goten,

dass du zu Hause einen mächtigen Herrn hast

 

dat du noh bi desemo riche   reccheo ni wurti. -

und dass du dieses Herrschers wegen noch nicht in die Verbannung hast gehen müssen. –

 

welaga nu, waltant got», quad Hiltibrant,   «wewurt skihit.

O waltender Gott“, fahr Hildebrand fort, „das Schicksal will seinen Lauf!

50

ih wallota sumaro enti wintro    sehstic ur lante,

Ich bin sechzig Sommer und Winter außer Landes gegangen.

 

dar man mih eo scerita   in folc sceotantero:

Da hat man mich immer in die Schar der Bogenschützen gestellt.

 

so man mir at burc enigeru   banun ni gifasta,

Nachdem mich vor keiner Burg der Tod ereilt hat,

 

nu scal mih suasat chind   suertu hauwan,

soll es nun geschehn, dass mich mein eigener Sohn mit dem Schwert erschlägt,

 

breton mit sinu billiu,   eddo ih imo ti banin werdan.

mich mit seiner Waffe zu Boden fällt – oder dass ich ihm den Tod bringe.

55

doh maht du nu aodlihho,   ibu dir din ellen taoc,

Doch kannst du nun leicht, wenn deine Kraft ausreicht,

 

in sus heremo man   hrusti giwinnan,

von einem so alten Krieger die Rüstung gewinnen,

 

rauba birahanen,    ibu du dar enic reht habes.» -

die Beute an dich bringen, wenn du irgendein Recht darauf haben wirst.“ –

 

«der si doh nu argosto quad Hiltibrant   ostarliuto,

„Der wäre nun wirklich einer der Feigsten unter denen, die nach Osten gegangen sind“, sprach Hildebrand,

 

der dir nu wiges warne,    nu dih es so wel lustit,

„der dir den Kampf verweigern wollte, da du so darauf brennst,

60

gudea gimeinun:   niuse de motti

auf den Kampf zwischen uns. So erprobe nun der, dem es auferlegt ist,

 

hwerdar sih hiutu   dero hregilo rumen muotti,

wer von uns beiden den Harnisch verlieren muss,

 

erdo desero brunnono   bedero uualtan.»

wer von uns beide Brünnen gewinnen wird!“

 

do lettun se ærist   asckim scritan,

Da ließen sie zunüchst die Eschenlanzen

 

scarpen scurim:   dat in dem sciltim stont

gegeneinander rasen, mit einem so harten Stoß, dass sie sich fest in die Schilde gruben.

65

do stoptun to samane    staimbort chludun,

Darauf ließen sie ihre laut dröhnenden Schilde selbst aufeinanderprallen.

 

heuwun harmlicco   huitte scilti,

Sie schlugen voll Ingrimm auf die weißen Schilde ein,

 

unti im iro lintun   luttilo wurtun,

bis ihnen das Lindenholz zu Spänen zerfiel,

 

giwigan miti wabnum    . . . . . . . . . . .

von den Waffen zerschlagen...


 

 

Quellen

http://de.wikipedia.org/wiki/Serglige_Con_Chulainn (31.03.2014)


Pamuk, Orhan: „Rot ist mein Name“ Fischer-Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2006. Seite 518.

          Köppelmann, Martin: Erinn. Rudolf-M.Bohrer-Verlag München – Wien o.J.


http://de.wikipedia.org/wiki/Hildebrandslied

http://homepages.uni-tuebingen.de/henrike.laehnemann/hildebrandslieder.htm   27.3.14

http://de.wikipedia.org/wiki/Rostam_%28Sch%C4%81hn%C4%81me%29     27.3.14

http://de.wikipedia.org/wiki/Rostam_und_Sohrab 27.3. 14

http://de.wikipedia.org/wiki/Cuchulainn  27.3.14

http://de.wikipedia.org/wiki/Aoife 27.3.14

http://en.wikipedia.org/wiki/A%C3%ADfe 27.3.14