Grillparzer König Ottokars Glück und Ende

 

Ich hab nicht gut in deiner Welt gehaust,
Du großer Gott! Wie Sturm und Ungewitter
Bin ich gezogen über deine Fluren.
Du aber bist's allein, der stürmen kann,
Denn du allein kannst heilen, großer Gott.
Und hab ich auch das Schlimme nicht gewollt,
Wer war ich, Wurm? daß ich mich unterwand,
Den Herrn der Welten frevelnd nachzuspielen,
Durchs Böse suchend einen Weg zum Guten!

 

Den Menschen, den du hingesetzt zur Lust,
Ein Zweck, ein Selbst, im Weltall eine Welt –
Gebaut hast du ihn als ein Wunderwerk,
Mit hoher Stirn und aufgerichtem Nacken,
Gekleidet in der Schönheit Feierkleid,
Und wunderbar mit Wundern ihn umringt.
Er hört und sieht und fühlt und freut sich.
Die Speise nimmt er auf in seinen Leib,
Da treten wirkende Gewalten auf
Und weben fort und fort mit Fasern und Gefäß
Und zimmern ihm sein Haus; kein Königsschloß
Mag sich vergleichen mit dem Menschenleib!
Ich aber hab sie hin zu Tausenden geworfen,
Um einer Torheit, eines Einfalls willen,
Wie man den Kehricht schüttet vor die Tür.
Und keiner war von den Gebliebnen allen,
Den seine Mutter nicht, als sie mit Schmerz geboren,
Mit Lust gedrückt an ihre Nährerbrust,
Der Vater nicht als seinen Stolz gesegnet
Und aufgezogen, jahrelang gehütet.
Wenn er am Finger sich verletzt die Haut,
Da liefen sie herbei und banden's ein
Und sahen zu, bis endlich es geheilt.
Und 's war ein Finger nur, die Haut am Finger!
Ich aber hab sie schockweis hingeschleudert
Und starrem Eisen einen Weg gebahnt
In ihren warmen Leib. – Hast du beschlossen,
Zu gehen ins Gericht mit Ottokar,
So triff mich, aber schone meines Volks!

 

Geblendet war ich, so hab ich gefehlt,
Mit Willen hab ich Unrecht nicht getan!
Doch einmal, ja! – und noch einmal: O Gott,
Ich hab mit Willen Unrecht auch getan!

 

Es ist nicht Todesfurcht, was so mich reden läßt.
Der du die Herzen aller kennst,
Du weißt, ob dieses Herz die Furcht bewegt?
Doch wenn dich eines Mannes Reu' erfreut,
Den nicht die Strafe, den sein Unrecht schreckt;
So sieh mich hier vor deinem Antlitz knien,
(Er kniet.)
Und hör mich beten wie ich jetzo bete:
Geh als ein Gott der Gnade zu Gericht!

 

 

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