Weinheber: Der Rebell

Weltbürgertum
Mahnung zum Frieden

 „Der Rebell“

von Josef Weinheber1)

zeigt die Ausweglosigkeit des einzelnen in der Grausamkeit des Krieges.

 

Aus den Deckungen vorn bringt man einen daher,

der zu schießen sich weigerte, sein Gewehr

zerschlug und dann selber sich stellte.

Zwischen Brand und Tod tagt ein schnelles Gericht:

Überleg dir´s gut, ob du willst oder nicht,

denn ein Menschenleib modert in Bälde.

 

Der Mann aber steht mit bleichem Mund,

es ist, als sei seine Stirne wund

und ein Dornzweig hinein getrieben.

Nur um sein Haar weht ein seltsames Licht:

Der Herrgott, den ihr gekreuzigt, spricht,

Du sollst deine Feinde lieben.

 

Uns aber hat man nicht lange gefragt,

hat uns wie Tiere zusammen gejagt,

im Namen Gottes zu morden.

Und hat unser Bitten so lange verhöhnt,

unsere schüchternen Tränen so lange verpönt,

bis wir stumpf geworden.

 

Und um unser Liebstes, um Weib und Kind,

wer kümmert sich jetzt, wenn sie hungrig sind

und wenn sie kein Bett mehr haben?

Man gibt ihnen Worte, leicht wie der Wind,

die Trost sein sollen, doch Drohungen sind,

die jede Hoffnung begraben.

 

Und Sprüche weiß man von Ehre und Pflicht,

doch für die, die sie prägten, gelten sie nicht,

nur der Arme muss immerzu geben –

O Tausende fühlen die Schmach wie ich,

Tausende sind nur feiger als ich

Und knien um ihr bisschen Leben.

 

Und Tausende denken: Drüben der Feind

Ist Mensch wie wir und sei uns vereint

als Gefährte in Knechtschaft und Schmerzen –

Aber weil ein paar Hirne vor Wahnwitz glühen,

hat Leben und Sterben nicht Wert mehr und Sinn,

noch das Blut all der zuckenden Herzen.

 

Die schießen her, wir schießen hin…

 

Und alle fühlen wir schaudernd und stumm,

uns eint nur mehr unser Mördertum.

Wir sind wieder Tiere geworden.

Und die Gier triumphiert, und das Raubtierblut

Ist wieder wach und peitscht zur Wut:

Nur morden, morden, morden –

 

Aber gilt denn im Grund dies Wüten dem Feind,

ist´s nicht zutiefst ganz andern vermeint

als den armen Brüdern drüben?

Herrgott, o Herrgott, führ mich nicht irr,

Herrgott, das Wort, es ist doch von Dir.
Du sollst deinen „Nächsten“ lieben -?

 

Jäh schweigt der Mann. Steht da wie erstarrt.

Der verhörende Hauptmann zerkaut seinen Bart –

Sekundenlang Stille.

Zwei Blicke nur sehen sich zutiefst bis ins Herz,

zwei Herzen verstehen sich in Grauen und Schmerz –

Dann siegt des Gesetzes Wille.

 

Der Mann wird abgeführt –

                                               Noch vor Nacht

Ward Christus von Neuem ums Leben gebracht.    


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2005 nahm Marcel Reich-Ranicki  2) in seinen Kanon deutscher Lyrik 3)vier Gedichte Weinhebers (Ich liebe den Tod, Biedermeier, Dezember auch Christmond und Im Grase) auf und bemerkte: „In dem von mir herausgegebenen Kanon der deutschen Literatur werden Autoren in Anerkennung nicht ihres politischen Wohlverhaltens aufgenommen, sondern ihrer literarischen Leistungen. Das gilt auch für Josef Weinheber.“ 1) In „Der Rebell“ ist wohl kein politisches Fehlverhalten spürbar.

Quellen

 

1) Bamberger, Richard: „Das große Balladenbuch“ Braumüller Verlag Wien o.J.

1) http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Weinheber

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2) http://de.wikipedia.org/wiki/Marcel_Reich-Ranicki

4.2.14

3) http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Kanon

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